Die Betreuung des Kindes im Wechselmodell
Wie genau funktioniert das Wechselmodell?
Wenn das Wechselmodell gilt, haben beide Elternteile ein umfangreiches Umgangsrecht mit dem Kind. Dabei darf das Umgangsrecht nicht mit dem Sorgerecht verwechselt werden. Während das Sorgerecht bestimmt, wer bestimmte Entscheidung treffen darf, regelt das Umgangsrecht, mit wem das Kind wann Zeit verbringt. Auch wenn das Sorgerecht beiden Eltern gemeinsam zusteht, ist eine Regelung zum Umgangsrecht erforderlich, da die getrennten Eltern meistens nicht mehr gemeinsam in einer Wohnung leben möchten.
Das gilt für verheiratete genauso wie für unverheiratete Eltern. Auch der Vater, der nicht mit der Mutter verheiratet ist oder war, hat das Recht und die Pflicht, Zeit mit dem Kind zu verbringen. § 1684 Abs. 1 S. 1 BGB sagt dazu:
"Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt."
Wie genau die Details ausgestaltet werden, ist in jedem Einzelfall unterschiedlich. Möglich ist zum Beispiel ein wöchentlicher Umzug des Kindes, oder ein Wechsel in kürzeren oder längeren Intervallen. Denkbar ist aber auch, dass das Kind ein festes Zuhause hat und die Eltern sich mit dem Aufenthalt in dieser Wohnung abwechseln.
Auch die Anteile am Umgang können variieren. Neben der hälftigen Aufteilung kommt zum Beispiel auch eine Aufteilung im Verhältnis 40 % zu 60 % in Betracht. Übernimmt ein Elternteil jedoch mehr als 2/3 der Betreuung, spricht man nicht mehr vom Wechselmodell, sondern wieder vom Residenzmodell.
Wie kann das Wechselmodell angeordnet werden?
Es gibt verschiedene Wege, das Wechselmodell einzuführen. Nur weil die Eltern eines Kindes sich trennen, muss es nicht zwangsläufig zu einem Streit vor Gericht kommen.
Die erste und im Interesse aller Beteiligten vorzugswürdige Möglichkeit ist, dass man sich auf das Wechselmodell einigt. Es steht den Eltern frei, den Umgang einvernehmlich so zu praktizieren, wie sie es für sinnvoll halten, solange dies nicht das Kindeswohl gefährdet. Jedoch besteht die Gefahr, dass diese freie Handhabung des Umgangs zu Streit führt. Daher ist es empfehlenswert, eine Vereinbarung über den Umgang schriftlich festzuhalten und mögliche Streitpunkte schon vorab zu regeln. Möchte man, dass eine solche Vereinbarung möglichst auch Bestand hat, wenn der andere Elternteil seine Meinung später ändert, sollte man die Vereinbarung in Form eines gerichtlich gebilligten Vergleichs abschließen. Gerne beraten wir Sie hierzu in einem Gespräch.
Die zweite Möglichkeit ist, dass ein Gericht über den Umgang entscheidet. Das ergibt sich aus § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB:
„Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln.“
Zu einem Gerichtsverfahren kommt es in der Regel dann, wenn die Eltern sich nicht auf eine Umgangsregelung einigen können, oder wenn sie sich zunächst geeinigt haben, ein Elternteil die Regelung nun aber ändern möchte. Gerichte orientieren sich immer am Wohl des Kindes. Was das Beste für das Kind ist, wird unter anderem nach folgenden Gesichtspunkten beurteilt:
Die Bindung des Kindes zum jeweiligen Elternteil
Das ist zum Beispiel relevant, wenn ein Elternteil in der Vergangenheit kaum Zeit mit dem Kind verbracht und keine Beziehung zu ihm aufgebaut hat. Es ist in der Regel nicht im Sinne des Kindes, in beträchtlichem Umfang einer Person überlassen zu werden, zu der es kaum Bezug hat.
Ob beide Elternteile erziehungsgeeignet sind
Gerichte zweifeln zum Beispiel an der Erziehungsgeeignetheit desjenigen Elternteils, der die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil manipuliert.
Der Wunsch des Kindes
Jedoch handelt es sich dabei nur um ein Indiz. Dem Wunsch muss nicht entsprochen werden. Generell wird der Wunsch des Kindes umso mehr berücksichtigt, je älter das Kind ist. Der Kindeswille wird weniger berücksichtigt, wenn das Gericht den Eindruck hat, dass die Meinung des Kindes nur durch starke Beeinflussung eines Elternteils zustande gekommen ist.
Die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern
Ist abzusehen, dass das Wechselmodell nur zu Streit führt, ist diese Regelung nicht im Sinne des Kindes.
Räumliche Entfernung
Das Wechselmodell kann auch nur dann funktionieren, wenn die Eltern nicht zu weit voneinander entfernt wohnen. Insbesondere bei Schulkindern muss gewährleistet sein, dass die Schule von beiden Orten erreichbar ist.
Ob das Wechselmodell dem Kindeswohl am ehesten entspricht ist also eine Wertungsfrage. Dabei geht der BGH auch davon aus, dass es in der Regel gut für das Kind ist, zu beiden Eltern eine enge Beziehung zu haben. Andererseits ist der ständige Wechsel auch eine große Herausforderung für das Kind. Die Entscheidung kann im Ergebnis nur für jeden Einzelfall gesondert getroffen werden.
In Gerichtsverfahren hat sich immer wieder die Frage gestellt, ob das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, also zum Beispiel wenn ein Elternteil eigentlich möchte, dass das Kind ausschließlich bei ihm selbst lebt. Der BGH hat entschieden, dass das möglich ist. Gerichte haben eine solche Entscheidung zum Beispiel dann getroffen, wenn die Betroffenen schon Erfahrungen mit dem Wechselmodell haben. Insgesamt sind die Gerichte aber eher zurückhaltend, das Wechselmodell anzuordnen, wenn es nicht von beiden Eltern befürwortet wird.
Wer zahlt beim Wechselmodell Unterhalt?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Man muss sich anschauen, zu welchen Anteilen die Elternteile die Betreuung übernehmen und wer wieviel verdient. Zunächst einmal muss man verstehen, dass Unterhaltsleistungen nicht nur aus Geldzahlungen bestehen. Der finanzielle Unterhalt (‚Barunterhalt‘) macht nur den einen Teil aus. Daneben stehen die Unterhaltsleistungen, die man durch Betreuung und Erziehung des Kindes (‚Naturalunterhalt‘) erbringt. Beim Residenzmodell geht man einfach davon aus, dass der eine Elternteil den weit überwiegenden Teil der Erziehung und Betreuung übernimmt und der andere Teil im Gegenzug den benötigten Geldbetrag zur Verfügung stellt. Naturalunterhalt und Barunterhalt sind also ‚gleich viel wert‘.
Beim Wechselmodell erbringen beide Elternteile die Betreuungs- und Erziehungsleistungen ungefähr im gleichen Umfang. Einfach ist die Sache dann, wenn beide Elternteile gleich viel verdienen. Dann können die Eltern sich sowohl Betreuung als auch finanziellen Aufwand jeweils zur Hälfte teilen. Das heißt jeder trägt einfach diejenigen Ausgaben für das Kind, die in der Zeit anfallen, in der sich das Kind bei ihm aufhält. Sind außergewöhnlich hohe Ausgaben erforderlich, muss sich der andere dann natürlich trotzdem beteiligen. Aber es finden keine festen monatlichen Zahlungen statt.
Anders sieht das aus, wenn ein Elternteil mehr verdient als der andere. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs des Kindes hängt vom Gesamtverdienst der Eltern ab. Derjenige, der mehr verdient, muss proportional mehr Barunterhalt zahlen, auch wenn beide zu gleichen Teilen das Kind betreuen.
Nochmal anders ist das Ganze, wenn die Betreuungsanteile der Eltern nicht ungefähr gleich sind, wenn zum Beispiel der eine Elternteil 60 % und der andere 40 % übernimmt. Diesen Fall nennt man ‚unechtes Wechselmodell‘. Grundsätzlich schuldet dann derjenige den gesamten Barunterhalt, bei dem sich das Kind weniger aufhält. Jedoch kürzen Gerichte den Anspruch dann oft, um im Ergebnis ein gerechteres Ergebnis zu finden.
Auch beim Wechselmodell kann man gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn der andere Elternteil den geschuldeten Unterhalt nicht zahlt. Da jedoch bei gemeinsamen Sorge- und Umgangsrecht grundsätzlich beide Eltern gemeinsam berechtigt sind, den Unterhalt für das Kind einzuklagen, muss man sich dieses Recht im ersten Schritt vom Familienrecht übertragen lassen. Im zweiten Schritt kann man dann den Unterhalt einklagen.
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