Kind hat An­spruch auf Teil­nahme am her­kunfts­sprach­li­chen Unterricht 

BS LEGAL Rechtsanwälte 

Ober­lan­des­ge­richt Köln stärkt Rechte von Kindern

(OLG Köln, Be­schluss vom 16.01.2024, II-21 UF 193/​23)

In ei­nem von der Kanz­lei BS LEGAL Rechts­an­wälte er­strit­te­nen Be­schluss hat das Ober­lan­des­ge­richt Köln mit Be­schluss vom 16.01.2024 fest­ge­stellt, dass ein Kind das Recht hat, an dem sog. her­kunfts­sprach­li­chen Un­ter­richt - ei­nem Bil­dungs­an­ge­bot des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len - teil­zu­neh­men. Da die Kin­des­el­tern sich aber über die Teil­nahme nicht ei­nig wer­den konn­ten, hat das Ge­richt nach der An­hö­rung des Kin­des die al­lei­nige Ent­schei­dung über die An­mel­dung zum Un­ter­richt auf den Kin­des­va­ter übertragen.

Zu­vor hatte be­reits das Amts­ge­richt Köln dem Kin­des­va­ter die Ent­schei­dung über die An­mel­dung zum her­kunfts­sprach­li­chen Un­ter­richt über­tra­gen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die ge­gen die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung ge­rich­tete Be­schwerde der Kin­des­mut­ter zu­rück­ge­wie­sen. Da­bei hat das Ober­lan­des­ge­richt von der Durch­füh­rung ei­nes Ter­mins abgesehen.

Hin­ter­grund:

Der her­kunfts­sprach­li­che Un­ter­richt ist ein kos­ten­freies An­ge­bot des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len für Schüler*innen mit in­ter­na­tio­na­ler Fa­mi­li­en­ge­schichte, die zwei- oder mehr­spra­chig in Deutsch und in ei­ner oder meh­re­ren an­de­ren Spra­chen aufwachsen. 

Kin­der und Ju­gend­li­che mit in­ter­na­tio­na­ler Fa­mi­li­en­ge­schichte er­hal­ten die Mög­lich­keit, ihre Kennt­nisse in der Her­kunfts­spra­che der Fa­mi­lie und/​oder ei­nes El­tern­teils zu ver­tie­fen und zu er­wei­tern. Vor al­lem im mul­ti­kul­tu­rel­len Köln ist das An­ge­bot stark vertreten.

Zur Ent­schei­dung des Amtsgerichts:

Der Kin­des­va­ter, der als Bra­si­lia­ner por­tu­gie­si­scher Mut­ter­sprach­ler ist, wollte sei­nem sechs­jäh­ri­gen Kind die Mög­lich­keit er­öff­nen, eben­falls die por­tu­gie­si­sche Spra­che zu er­ler­nen. Die Kin­des­mut­ter lehnte dies al­ler­dings ab. Dem Kind solle zu­nächst Zeit für die Ein­ge­wöh­nung in der Schule ge­ge­ben wer­den. Au­ßer­dem sei das Kind vom Schul­all­tag und den Haus­auf­ga­ben über­for­dert und be­nö­tige viel Ruhe.

Das Amts­ge­richt Köln – Fa­mi­li­en­ge­richt – führt aus, dass die Frage der Teil­nahme am her­kunfts­sprach­li­chen Un­ter­richt eine An­ge­le­gen­heit von er­heb­li­cher Be­deu­tung ist, über die die ge­mein­sam sor­ge­be­rech­tig­ten El­tern grund­sätz­lich Ein­ver­neh­men her­stel­len müs­sen, § 1627 BGB. Wenn die El­tern sich in die­ser ein­zel­nen An­ge­le­gen­heit nicht ei­ni­gen kön­nen, kann das Fa­mi­li­en­ge­richt ge­mäß § 1628 BGB auf An­trag die Ent­schei­dung ei­nem El­tern­teil über­tra­gen. Da­bei ist Maß­stab, wie bei al­len Ent­schei­dun­gen und Maß­nah­men, die die el­ter­li­che Sorge be­tref­fen, al­lein das Kin­des­wohl­prin­zip ge­mäß § 1697a BGB. Das Ge­richt trifft die­je­nige Ent­schei­dung, die un­ter Be­rück­sich­ti­gung der tat­säch­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten und Mög­lich­kei­ten so­wie der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten dem Wohl des Kin­des am bes­ten ent­spricht. Im Rah­men des § 1628 BGB hat das Ge­richt al­ler­dings keine Be­fug­nis zu ei­ner ei­ge­nen Sach­ent­schei­dung, son­dern es kann nur die Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz ei­nem der bei­den El­tern­teile über­tra­gen, es sei denn keine der bei­den von den El­tern ge­wünsch­ten Maß­re­gel ist mit dem Kin­des­wohl vereinbar.

Das Amts­ge­richt Köln hat die Ent­schei­dung über die An­mel­dung auf den Kin­des­va­ter über­tra­gen. Hier­für wa­ren fol­gende Be­weg­gründe maßgeblich:

  • Der Kin­des­wille: Das Amts­ge­richt Köln hat das Kind per­sön­lich an­ge­hört. Das Kind äu­ßerte wie­der­holt den Wunsch, por­tu­gie­sisch ler­nen zu wol­len. Dem Kind – so das Ge­richt – solle das Ge­fühl ver­mit­telt wer­den, dass man ihm die Kurs­teil­nahme ne­ben der Schule auch zu­traue an­statt des­sen Leis­tun­gen schlecht zu reden.
  • Das Kin­des­wohl: Eine Über­for­de­rung des Kin­des durch die zu­sätz­li­che Teil­nahme am Por­tu­gie­sisch-Un­ter­richt konnte das Ge­richt nicht fest­stel­len. Schu­li­sche Pro­bleme be­stün­den bei dem Kind nicht.
  • Den Ein­wand der Kin­des­mut­ter, das Kind könne spä­ter im­mer noch an dem Kurs teil­neh­men, ließ das Ge­richt zu Recht nicht gel­ten, da mit zu­neh­men­dem Al­ter des Kin­des die schu­li­schen An­for­de­run­gen eher zunehmen.
  • Soll­ten sich die schu­li­schen Leis­tun­gen auf­grund der Kurs­teil­nahme ver­schlech­tern, könne der Kurs je­der­zeit be­en­det werden.
  • Pro­bleme auf der El­terne­bene soll­ten nicht dazu füh­ren, dem Kind die Mög­lich­keit der Kurs­teil­nahme zu versagen.

Be­stä­ti­gung der Ent­schei­dung durch das Ober­lan­des­ge­richt Köln:

Das OLG Köln hat die ge­gen die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung der Kin­des­mut­ter ge­rich­tete Be­schwerde zu­rück­ge­wie­sen (OLG Köln, Be­schluss vom 16.01.2024, II-21 UF 193/​23). Hier­bei hat das OLG die be­son­dere Be­deu­tung des Kin­des­wil­len im Rah­men der ge­bo­te­nen Ab­wä­gung her­vor­ge­ho­ben. Das Kind habe mehr­fach den Wunsch ge­äu­ßert, por­tu­gie­sisch ler­nen zu wol­len. Dar­über hin­aus sei es po­si­tiv zu be­wer­ten, wenn Kin­des­va­ter und Kind ihre sprach­li­chen Ver­stän­di­gungs­mög­lich­kei­ten er­wei­tern kön­nen. Ne­ben dem rei­nen Sprach­ge­brauch, so das OLG Köln wei­ter, werde dem Kind durch den her­kunfts­sprach­li­chen Un­ter­richt die Mög­lich­keit er­öff­net, seine ei­ge­nen Wur­zeln und An­bin­dun­gen an das Her­kunfts­land sei­nes Va­ters bes­ser ken­nen­zu­ler­nen. Eben­falls sei der her­kunfts­sprach­li­che Un­ter­richt auf den Fach­un­ter­richt in der Grund­schule ab­ge­stimmt, so dass da­von aus­zu­ge­hen sei, dass auf die Be­dürf­nisse von Erst­kläss­lern Rück­sicht ge­nom­men werde.

Fa­zit:

Kön­nen sich die ge­mein­sam sor­ge­be­rech­tig­ten El­tern über eine An­ge­le­gen­heit des Kin­des von grund­le­gen­der Be­deu­tung nicht ei­ni­gen, so kann das Ge­richt ei­nem der bei­den El­tern­teile die Be­fug­nis zur al­lei­ni­gen Ent­schei­dung über­tra­gen. Das Ge­richt über­trägt die Ent­schei­dung auf den­je­ni­gen El­tern­teil, der im Ein­zel­fall bes­ser dazu in der Lage ist, eine am Kin­des­wohl ori­en­tierte Ent­schei­dung zu treffen.

Wünscht sich ein Kind die Teil­nahme am her­kunfts­sprach­li­chen Un­ter­richt und sind sich die El­tern hier­über nicht ei­nig, so spricht viel da­für, dass das Ge­richt dem Kind die Teil­nahme er­mög­licht, in­dem es dem El­tern­teil, der die An­mel­dung durch­füh­ren möchte, die al­lei­nige Ent­schei­dungs­be­fug­nis gem. § 1628 BGB überträgt.

Das Land Nord­rhein-West­fa­len för­dert die Mehr­spra­chig­keit der­zeit in den fol­gen­den 19 Sprachen:

Al­ba­nisch • Ara­bisch • Bos­nisch • Bul­ga­risch • Fran­zö­sisch • Grie­chisch • Ita­lie­nisch • Kroa­tisch • Kur­disch-Kur­manci • Kur­disch-Sorani • Per­sisch (Farsi) • Pol­nisch • Por­tu­gie­sisch • Ro­ma­nes • Rus­sisch • Ser­bisch • Spa­nisch • Tür­kisch • Ukrainisch 

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