Nichtigkeit von Eheverträgen bei einseitiger Benachteiligung
Eine einseitige Benachteiligung bei Eheverträgen kann die Nichtigkeit des Ehevertrags zur Folge haben
Eheleute können die rechtlichen Folgen der Ehe nach ihren Vorstellungen abweichend vom Gesetz regeln. Dazu ist ein Ehevertrag erforderlich. In diesem können insbesondere Scheidungsfolgen frei gestaltet werden. Allerdings kennt die Gestaltungsfreiheit Grenzen. Wird ein Ehegatte im Ehevertrag stark benachteiligt, kann der Ehevertrag sittenwidrig und damit unwirksam sein.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine hochschwangere Ehefrau einen Ehevertrag mit ihrem deutlich älteren Betriebsinhaber abschließt und darin für den Fall der Scheidung auf fast alle Ansprüche verzichtet, die ihr nach dem Gesetz eigentlich zustünden.
So hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg am 10. Mai 2017 entschieden.
Zum Hintergrund: Konzept und Rechtsfolgen der Zugewinngemeinschaft
Ehegatten leben laut Gesetz grundsätzlich in der sogenannten Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet: Jeder Ehegatte hat und behält sein Eigentum für sich. Scheiden sich die Ehepartner allerdings, besteht ein Anspruch auf Ausgleich des erwirtschafteten Zugewinns: Hat ein Ehepartner während der Ehe weniger Vermögen erwirtschaftet als der andere, so ist er oder sie nach der Scheidung berechtigt, die Hälfte des Mehrverdienstes des Ehepartners zu fordern.
Dieses Prinzip kann durch abweichende Vereinbarungen im Ehevertrag ausgeschlossen werden. So können die Eheleute zum Beispiel Gütertrennung vereinbaren, wonach das zusätzlich erwirtschaftete Vermögen nach der Scheidung nicht geteilt wird wie in der Zugewinngemeinschaft.
Zum Sachverhalt: Zugewinnausgleich trotz Verzicht im Ehevertrag?
Im vorliegenden Fall hatte der Inhaber eines Betriebes seine 20 Jahre jüngere Auszubildende geschwängert und sich bereit erklärt, sie zu heiraten. Die beiden schlossen einen Ehevertrag, in dem die Frau weitgehend auf alle Ansprüche im Falle der Scheidung verzichtete. Die Frau sollte kein Recht auf Unterhalt erhalten, an der Rente des Mannes nicht beteiligt sein und auch der Zugewinn wurde vollständig ausgeschlossen. Kurz vor der Hochzeit drohte der Mann der hochschwangeren Frau ausdrücklich mit einer Absage der Eheschließung, wenn sie nicht dem Ehevertrag zustimme.
Nach dem Tod ihres Mannes machte die Frau trotz der Klausel im Ehevertrag ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend (nach dem Tod des Ehegatten kann der Zugewinn durch einen höheren Erbanteil ausgeglichen werden). Dies wurde vom Amtsgericht mit Verweis auf den Verzicht im Ehevertrag abgelehnt. Daraufhin legte die Frau erfolgreich Beschwerde beim OLG ein.
Zur Entscheidung: Unangemessene Benachteiligung und ungleiche Verhandlungspositionen
Das Gericht führte aus, die Ehefrau sei durch den Ehevertrag unangemessen benachteiligt worden, da sie dadurch auf fast alle für die Ehe typischen Rechte verzichtet habe. Sie sei wegen des Ehevertrags nicht ausreichend wirtschaftlich gesichert. Auch seien die Verhandlungspositionen ungleich, der Mann habe die Verhandlungen klar dominiert. Der deutlich ältere Betriebsleiter sei bei Abschluss des Ehevertrages in einer sowohl wirtschaftlich als auch sozial stärkeren Position gewesen. Gleichzeitig habe sich die Frau aufgrund ihrer Schwangerschaft in einer Zwangslage befunden und sei ihrem damaligen Arbeitgeber in Lebenserfahrung und Bildung unterlegen gewesen.
In einer Gesamtschau dieser Umstände ergebe sich eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages (§ 138 BGB). Dies führe dazu, dass der Ehevertrag unwirksam sei. Daraus folge, dass die gesetzlichen Regelungen Anwendung fänden. Der Ehefrau stehe also der erhöhte Erbanteil aus ihrem Zugewinnausgleich zu.
Fazit
Ein Ehevertrag erlaubt Abweichungen von den gesetzlich vorgesehenen Folgen einer Scheidung. Ist für einen Ehepartner der Abschluss der Ehe wirtschaftlich jedoch ganz besonders wichtig (z.B. schwangere Frau), kann dessen Benachteiligung zur Unwirksamkeit des Vertrages führen. Dann gelten wieder die gesetzlichen Regelungen.
Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss v. 10.05.2017, Az. 3 W 21/17 NL
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