Sorgerecht: Urlaubsreisen mit dem Kind
BS LEGAL Rechtsanwälte
Sorgerechtliche Fragen zum Thema Urlaubsreisen mit dem Kind
Wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Kind im Ausland Urlaub machen wollen, sollten Sie einige sorgerechtliche Besonderheiten beachten, um Probleme bei der Reise zu vermeiden.
I. Reisen bei alleinigem Sorgerecht oder alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht
Wenn Sie die elterliche Sorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein ausüben, haben Sie in jedem Fall das Recht, zusammen mit Ihrem Kind ins Ausland zu verreisen. Auf die Zustimmung des anderen Elternteils sind Sie in beiden Fällen nicht angewiesen. Es kann sich anbieten, beim örtlich zuständigen Jugendamt eine Auskunft über die Alleinsorge aus dem Sorgeregister einzuholen, um bei der Ein- und Ausreise das alleinige Sorgerecht falls notwendig belegen zu können.
Wenn Sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein ausüben, wird sich dies im Regelfall durch eine Gerichtsentscheidung belegen lassen. Auch hier bietet es sich an, die Entscheidung bei der Ein- und Ausreise bei sich zu führen.
II. Gemeinsames Sorgerecht
Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben. Getrennt lebende gemeinsam sorgeberechtigte Eltern haben das Recht, Entscheidungen des täglichen Lebens während der eigenen Umgangs- bzw. Betreuungszeiten eigenverantwortlich zu treffen, § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Zustimmung des anderen Elternteils zu Entscheidungen des täglichen Lebens ist also nicht erforderlich.
Über Angelegenheiten des Kindes von grundlegender Bedeutung ist hingegen von den Eltern gemeinsam zu entscheiden. Die Eltern müssen zunächst ernsthaft versuchen, sich zu Entscheidungen von grundlegender Bedeutung außergerichtlich zu einigen. Falls eine Einigung ohne gerichtliche Hilfe nicht gelingt, dann besteht die Möglichkeit, bei Gericht zu beantragen, über die Angelegenheit von grundlegender Bedeutung allein entscheiden zu dürfen, § 1628 BGB. Maßstab der Entscheidung nach § 1628 BGB ist ausschließlich das Kindeswohl. Das Gericht überträgt das Recht zur Alleinentscheidung auf denjenigen Elternteil, der besser dazu in der Lage ist, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen.
Die Gerichte sehen Urlaubsreisen in den meisten Fällen als einen Teil der Alltagssorge an und nicht als Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung. Das bedeutet, dass auch bei gemeinsamer Sorge die Zustimmung des anderen Elternteils zu Urlaubsreisen rechtlich gesehen in der Regel nicht erforderlich ist.
Problematisch ist allerdings, dass insbesondere bei Flugreisen teilweise dennoch an den Flughäfen Reisevollmachten von den Eltern verlangt werden. Wer sich gegen dieses Risiko absichern möchte, kann bei Gericht den Antrag stellen, über die beabsichtigte Urlaubsreise allein entscheiden zu dürfen. Wenn das Gericht davon ausgeht, dass sich das Recht zur alleinigen Entscheidung über die Urlaubsreise schon aus der Alltagssorge ergibt, dann hat der Antrag auf Erteilung der Befugnis zur alleinigen Entscheidung zwar keinen Erfolg. Aus der Begründung der Entscheidung geht dann jedoch hervor, dass der Antrag nur deshalb keinen Erfolg hat, weil der antragstellende Elternteil ohnehin schon von Gesetzes wegen ohne die Zustimmung des anderen Elternteils mit dem Kind reisen darf. Die Zustimmung des mitsorgeberechtigten Elternteils ist in diesem Fall also entbehrlich und es besteht kein Grund, die Befugnis zur Alleinentscheidung auf den antragstellenden Elternteil zu übertragen. Die Gerichtsentscheidung kann dann ausgedruckt und am Flughafen vorgezeigt werden. Die Gerichtsentscheidung ist somit für den reisenden Elternteil hilfreich, obwohl der Antrag keinen Erfolg hatte.
In manchen Fällen gehen die Gerichte allerdings davon aus, dass die Entscheidung über eine Auslandsreise nicht mehr von der Alltagssorge gedeckt ist, sondern dass es sich für das Kind um eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung handelt. In diesem Fall müssen die Eltern gemeinsam über die Reise entscheiden. Von einer Angelegenheit von grundlegender Bedeutung gehen die Gerichte etwa dann aus, wenn im Reiseland Sicherheitsrisiken bestehen, oder wenn mit noch sehr jungen Kindern besonders weite Reisen angetreten werden sollen. Eine Regel, dass Reisen ins außereuropäische Ausland immer Angelegenheiten des Kindes von grundlegender Bedeutung darstellen, gibt es aber nicht. Die Abgrenzung zwischen Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung und Angelegenheiten des täglichen Lebens erfolgt immer unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls.
Die Rechtsprechung hat in folgenden Fällen eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung angenommen:
- OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2011 – II-4 UF 232/11 – Reise nach Russland mit einem zweijährigem Kind.
- OLG Hamburg, Beschluss vom 13.07.2011 – 12 UF 80/11 – Reise nach Kasachstan zu Verwandten.
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2007 – 16 WF 83/07 – Reise in ein Krisengebiet.
- OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2004 – 4 WF 4/04 – Reise in einen dem Kind nicht vertrauten Kulturkreis.
Die Rechtsprechung ist hingegen in folgenden Fällen von einer Angelegenheit des täglichen Lebens ausgegangen:
- KG, Beschluss vom 02.02.2017 – 13 UF 163/16 – Fernreise nach Thailand.
- OLG Dresden, Beschluss vom 25.6.2021 – 21 UF 350/21 – Reise des Vaters in die USA mit seinem sechsjährigen Sohn.
- OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.05.2018 – 1 U 202/17 – Urlaubsreise in ein Land, für das keine Reisewarnungen vorliegen.
Bei Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung übertragen die Gerichte das Alleinentscheidungsrecht auf denjenigen Elternteil, der am besten dazu in der Lage ist, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen. In der Sache geht es also um die Frage, ob die beabsichtigte Urlaubsreise dem Kindeswohl dient. In den meisten Fällen dürften die Gerichte davon ausgehen, dass Urlaubsreisen dem Kindeswohl dienlich sind, vor allem wenn diese dazu dienen, den Kontakt zu Familienangehörigen des Kindes zu ermöglichen.
Wenn die Entscheidung über die Urlaubsreise hingegen als Entscheidung des täglichen Lebens anzusehen ist, kommt es auf die Frage der Kindeswohldienlichkeit der Reise von vornherein nicht an, da der betreuende Elternteil über die Reise von Gesetzes wegen während seiner Umgangszeiten allein entscheiden darf.
III. Vorgehensweise bei gemeinsamem Sorgerecht
Wenn Sie das Sorgerecht mit dem anderen Elternteil gemeinsam ausüben, dann empfiehlt es sich in jedem Fall, sich von dem diesem eine Reisevollmacht erteilen zu lassen. Geeignete Formulare hierzu bietet beispielsweise der ADAC im Internet zum Download an. Wenn der andere Elternteil mit der Reise nicht einverstanden ist und keine Reisevollmacht erteilen möchte, empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung. Wenn der andere Elternteil keine Vollmacht erteilen will, sollte zumindest bei Flugreisen in der Regel ein Antrag bei Gericht gestellt werden, um Risiken bei der Durchführung der Reise zu vermeiden.
Urlaubsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils
Auch der nicht sorgeberechtigte Elternteil hat das Recht, mit seinem Kind während der eigenen Umgangszeiten in den Urlaub zu fahren. Das Umgangsrecht beinhaltet nämlich von Gesetzes wegen die Befugnis, während der Umgangszeiten auch über den Ort des Umgangs allein zu entscheiden. Dem nur umgangs- und nicht sorgeberechtigten Elternteil ist es jedoch verwehrt, an Entscheidungen für das Kind von grundlegender Bedeutung mitzuwirken. Sofern eine Urlaubsreise als eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung anzusehen ist, ist diese somit nicht mehr vom Umgangsrecht gedeckt. Auch hier gilt jedoch der Grundsatz, dass die Gerichte in den meisten Fällen davon ausgehen, dass Urlaubsreisen keine Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung darstellen.
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