Das pa­ri­tä­ti­sche Wech­sel­mo­dell im Fa­mi­li­en­recht: Ent­wick­lung der Recht­spre­chung und Praxisbeispiele 

BS LEGAL Rechtsanwälte 

Das Wech­sel­mo­dell - Tipps von Ih­rem Fach­an­walt für Fa­mi­li­en­recht in Köln

Das pa­ri­tä­ti­sche Wech­sel­mo­dell be­zeich­net eine Be­treu­ungs­form nach der Tren­nung oder Schei­dung von El­tern, bei der das Kind in etwa glei­chen zeit­li­chen An­tei­len von bei­den El­tern­tei­len be­treut wird. Es un­ter­schei­det sich da­mit grund­le­gend vom Re­si­denz­mo­dell, bei dem das Kind haupt­säch­lich bei ei­nem El­tern­teil lebt und der an­dere El­tern­teil ein Um­gangs­recht hat. In den letz­ten Jah­ren hat das Wech­sel­mo­dell zu­neh­mend an Be­deu­tung ge­won­nen, auch be­dingt durch eine ver­än­derte Recht­spre­chung und ge­sell­schaft­li­che Entwicklungen.

Die­ser Ar­ti­kel be­leuch­tet die recht­li­che Ent­wick­lung des pa­ri­tä­ti­schen Wech­sel­mo­dells in Deutsch­land, ana­ly­siert zen­trale Ge­richts­ent­schei­dun­gen und gibt pra­xis­nahe Bei­spiele für des­sen Umsetzung.

Ent­wick­lung der Rechtsprechung

Frühe Recht­spre­chung: Zu­rück­hal­tung ge­gen­über dem Wechselmodell

Bis in die 2000er Jahre hin­ein war das Wech­sel­mo­dell in Deutsch­land eher die Aus­nahme. Die Recht­spre­chung ori­en­tierte sich stark am Re­si­denz­mo­dell, wel­ches als sta­bi­li­täts­för­dernd und im bes­ten In­ter­esse des Kin­des an­ge­se­hen wurde. Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) und die In­stanz­ge­richte be­ton­ten, dass das Wech­sel­mo­dell nur ein­ver­nehm­lich zwi­schen den El­tern um­ge­setzt wer­den könne.

Wen­de­punkt: BGH-Ent­schei­dung von 2017 (Be­schluss vom 01. Fe­bruar 2017 – XII ZB 601/​15)

Ein be­deu­ten­der Wen­de­punkt in der Recht­spre­chung war die Ent­schei­dung des BGH im Jahr 2017. Der BGH stellte klar, dass das pa­ri­tä­ti­sche Wech­sel­mo­dell auch ge­gen den Wil­len ei­nes El­tern­teils an­ge­ord­net wer­den kann, wenn dies dem Kin­des­wohl am bes­ten ent­spricht. Der BGH be­grün­dete dies mit dem Grund­satz, dass die El­tern­ver­ant­wor­tung glei­cher­ma­ßen bei­den El­tern­tei­len ob­liegt und das Fa­mi­li­en­ge­richt das Mo­dell an­ord­nen darf, wenn es für das Wohl des Kin­des die beste Lö­sung darstellt.

Kri­te­rien für die An­ord­nung des Wechselmodells

Nach der BGH-Ent­schei­dung wur­den ver­schie­dene Kri­te­rien her­aus­ge­ar­bei­tet, die Ge­richte bei der Prü­fung ei­nes Wech­sel­mo­dells berücksichtigen:

- Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Ko­ope­ra­ti­ons­fä­hig­keit der Eltern 
- Bin­dun­gen des Kin­des zu bei­den Elternteilen 
- Räum­li­che Nähe der Haus­halte der Eltern 
- Ent­wick­lungs­stand und in­di­vi­du­elle Be­dürf­nisse des Kindes 
- Kin­des­wille (ab­hän­gig vom Al­ter und der Reife des Kindes) 

Wei­ter­ent­wick­lung durch Instanzgerichte

In den Fol­ge­jah­ren ha­ben zahl­rei­che Ober­lan­des­ge­richte (OLG) die Grund­sätze des BGH auf­ge­grif­fen und konkretisiert.

OLG Dres­den (Be­schluss vom 01.03.20197 UF 226/​18)

Hier stellte das Ge­richt fest, dass auch bei hoch­kon­flikt­be­haf­te­ten El­tern das Wech­sel­mo­dell dem Kin­des­wohl ent­spre­chen kann, wenn zu er­war­ten ist, dass das Wech­sel­mo­dell die Be­las­tung des Kin­des durch den El­tern­kon­flikt nicht verstärkt.

OLG Frank­furt (Be­schluss vom 26.10.20216 UF 147/​21)

Das Ge­richt be­tonte, dass für die An­ord­nung ei­nes Wech­sel­mo­dells hin­rei­chende Er­zie­hungs­kom­pe­ten­zen bei­der El­tern, si­chere Bin­dun­gen des Kin­des und eine klare Ent­wick­lungs­för­de­rung er­for­der­lich sind.

KG Ber­lin (Be­schluss vom 18.05.20183 UF 4/​18)

Das Ge­richt be­tonte, dass trotz be­stehen­der Kon­flikte zwi­schen den El­tern ein Wech­sel­mo­dell an­ge­ord­net wer­den kann, wenn diese ih­ren per­sön­li­chen Streit von der ge­mein­sa­men El­tern­rolle tren­nen können.

BGH (Be­schluss vom 27.11.2019 – XII ZB 512/​18)

Der BGH stellte klar, dass die Ko­ope­ra­ti­ons­fä­hig­keit der El­tern zwar ein wich­ti­ger Fak­tor ist, aber nicht zwin­gend als Aus­schluss­kri­te­rium für die An­ord­nung ei­nes Wech­sel­mo­dells gel­ten darf.

OLG Dres­den (Be­schluss vom 22.06.2021)

Das Ge­richt ent­schied zu­guns­ten ei­nes Wech­sel­mo­dells, da das Kind aus­drück­lich den Wunsch nach Gleich­be­hand­lung der El­tern äu­ßerte und das Mo­dell zur see­li­schen Ent­las­tung des Kin­des beitrug.

BGH (Be­schluss vom 01.02.2017 – XII ZB 601/​15)

Der BGH be­tonte, dass das Wech­sel­mo­dell nicht zwin­gend der Zu­stim­mung bei­der El­tern be­darf und dem Kin­des­wohl die­nen kann, wenn es das beste Be­treu­ungs­mo­dell darstellt.

Recht­li­che Grundlagen

Die ge­setz­li­che Grund­lage für das Wech­sel­mo­dell fin­det sich im Bür­ger­li­chen Ge­setz­buch (BGB), ins­be­son­dere in den §§ 1626, 1671 BGB.

  • § 1626 BGB re­gelt das Recht und die Pflicht der El­tern zur ge­mein­sa­men Sorge und die Ver­pflich­tung, das Wohl des Kin­des zu fördern.

  • § 1671 BGB er­mög­licht es dem Fa­mi­li­en­ge­richt, auf An­trag ei­nes El­tern­teils eine Re­ge­lung zur el­ter­li­chen Sorge zu tref­fen, wenn dies dem Kin­des­wohl dient.

Dar­über hin­aus sind völ­ker­recht­li­che Ver­pflich­tun­gen wie die Eu­ro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­tion (EMRK) und die Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs für Men­schen­rechte (EGMR) von Be­deu­tung, die das Recht des Kin­des auf Kon­takt zu bei­den El­tern­tei­len betonen.

Vor­teile und Her­aus­for­de­run­gen des Wechselmodells

Vor­teile

  • Stär­kung der Bin­dung zu bei­den El­tern­tei­len: Das Kind hat die Mög­lich­keit, eine in­ten­sive Be­zie­hung zu bei­den El­tern­tei­len auf­zu­bauen und aufrechtzuerhalten.

  • Gleich­be­rech­ti­gung der El­tern: Beide El­tern­teile tra­gen glei­cher­ma­ßen Ver­ant­wor­tung für die Er­zie­hung und Be­treu­ung des Kindes.

  • Fle­xi­bi­li­tät: Das Mo­dell kann in­di­vi­du­ell an die Be­dürf­nisse der Fa­mi­lie an­ge­passt werden.

Her­aus­for­de­run­gen

  • Hohe An­for­de­run­gen an die El­tern: Das Mo­dell er­for­dert ein ho­hes Maß an Kom­mu­ni­ka­tion und Kooperation.

  • Lo­gis­ti­scher Auf­wand: Räum­li­che Nähe und ab­ge­stimmte Zeit­pläne sind essenziell.

  • Be­las­tung des Kin­des: Für man­che Kin­der kann der stän­dige Wech­sel zwi­schen zwei Haus­hal­ten stres­sig sein.

Pra­xis­bei­spiele

Bei­spiel 1: Er­folg­rei­che Um­set­zung trotz an­fäng­li­cher Konflikte

Ein Paar aus Ber­lin, das sich nach zehn Jah­ren Ehe trennte, ent­schied sich für das Wech­sel­mo­dell, ob­wohl an­fangs er­heb­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­bleme be­stan­den. Durch Me­dia­tion und klare Ab­spra­chen konn­ten die El­tern eine sta­bile Be­treu­ungs­si­tua­tion schaf­fen. Das Kind pro­fi­tierte von der en­gen Be­zie­hung zu bei­den Elternteilen.

Bei­spiel 2: Ge­schei­ter­tes Wechselmodell

In ei­nem Fall aus Ham­burg wurde das Wech­sel­mo­dell nach ei­nem Jahr wie­der auf­ge­ho­ben, da die El­tern stän­dige Kon­flikte über All­tags­ent­schei­dun­gen hat­ten und das Kind dar­un­ter litt. Das Ge­richt ent­schied, dass ein Re­si­denz­mo­dell mit er­wei­ter­tem Um­gangs­recht für den Va­ter im kon­kre­ten Fall bes­ser ge­eig­net sei.

Un­ser Beratungsangebot

Als er­fah­rene An­wälte im Fa­mi­li­en­recht be­ra­ten wir Sie in Köln gerne um­fas­send zum Thema Wech­sel­mo­dell. Wir un­ter­stüt­zen Sie so­wohl bei der Be­an­tra­gung des Wech­sel­mo­dells als auch bei der Ab­wehr ei­nes ent­spre­chen­den An­trags. Kon­tak­tie­ren Sie uns für eine in­di­vi­du­elle Beratung.

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