Der Verfahrensbeistand
BS LEGAL Rechtsanwälte
Die Aufgaben des Verfahrensbeistands
Gerichte haben in Verfahren, die ein minderjähriges Kind betreffen (z.B. Umgangsverfahren, Sorgerechtsverfahren), einen Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn dies erforderlich ist, um die Interessen des Kindes zu vertreten, § 158 Abs. 1 FamFG. Der Verfahrensbeistand wird auch als „Anwalt des Kindes“ bezeichnet (vgl. KG, Beschluss vom 20.08.2021 – 16 UF 2/21)
Zum Verfahrensbeistand wird nur bestellt, wer fachlich und persönlich geeignet ist. Die fachliche Eignung liegt vor, wenn der Verfahrensbeistand Grundkenntnisse im Familienrecht (insbesondere Kindschaftsrecht, Verfahrensrecht, Kinder- und Jugendhilferecht) sowie Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes hat sowie über kindgerechte Gesprächstechniken verfügt. Die fachliche Eignung ist dem Gericht auf Verlangen nachzuweisen, § 158 a Abs. 1 FamFG.
Persönliche Eignung liegt vor, wenn der Verfahrensbeistand die Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen. Das Gericht nimmt zur Überprüfung der persönlichen Eignung auch Einsicht in das erweiterte Führungszeugnis.
Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. In der Praxis bedeutet dies, dass das Familiengericht unmittelbar nach Eingang einer Antragsschrift (z.B. auf Festlegung eines Umgangsmodelles, Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts) einen Verfahrensbeistand bestellt. Die Kindeseltern haben kein Mitbestimmungsrecht, wen das Gericht zum Verfahrensbeistand bestellt.
Aufgaben des Verfahrensbeistands und Stellung im Verfahren
Der Verfahrensbeistand soll die Interessen des Kindes feststellen und diese im gerichtlichen Verfahren zur Geltung bringen, § 158 b FamFG. Zu diesem Zweck führt der Verfahrensbeistand Gespräche mit dem Kind und den Kindeseltern und erarbeitet eine schriftliche Stellungnahme. Im Gerichtstermin erstattet der Verfahrensbeistand mündlich Bericht und gibt eine Empfehlung ab (z.B. auf Durchführung von Umgangskontakten, Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf beide Elternteile etc.).
Der Verfahrensbeistand ist neben den Eltern und dem Kind Verfahrensbeteiligter. Er kann daher im Interesse des Kindes Rechtsmittel gegen einen familiengerichtlichen Beschluss einlegen, wenn er der Meinung ist, dass der Beschluss den Interessen des Kindes widerspricht.
Der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes. Gesetzliche Vertreter sind die sorgeberechtigten Elternteile.
Möglichkeiten der Auswechslung oder Ablehnung
Oftmals ist ein Elternteil mit der Arbeit des Verfahrensbeistands nicht zufrieden, z.B. weil er – berechtigt oder unberechtigt – das Gefühl hat, der Verfahrensbeistand sei voreigenommen oder nehme die eigenen Wünsche nur ungenügend oder gar nicht ernst. Oft folgt dann die Frage, ob weiterhin mit dem Verfahrensbeistand zusammengearbeitet werden müsse oder ob man diesen nicht auswechseln könne.
Aus der Stellung des Verfahrensbeistands als Verfahrensbeteiligter und Interessenvertreter des Kindes folgt, dass dieser nicht weisungsgebunden ist – auch nicht gegenüber dem Gericht. Da er seine Aufgabe eigenständig und unabhängig wahrnimmt, ist er nicht verpflichtet, objektiv und neutral zu sein. Das Kammergericht spricht in diesem Zusammenhang von dem „advokatorischen Charakter“ des Verfahrensbeistands (KG, Beschluss vom 20.08.2021 – 16 UF 2/21).
Hieraus folgt, dass die Befürchtung der Parteilichkeit nicht ausreicht, um den Verfahrensbeistand zu entpflichten. Einem entsprechenden Antrag wird das Gericht in der Regel nicht nachkommen. Es bleibt einem Elternteil unbenommen, bei dem Familiengericht die Auswechslung des Verfahrensbeistands anzuregen. Das Gericht wird sodann prüfen und durch Beschluss entscheiden müssen. Nur wenn es die Interessen des Kindes als gefährdet ansieht, wird das Gericht der Entpflichtungsanregung nachkommen (vgl. KG, Beschluss vom 20.08.2021 – 16 UF 2/21).
Das Kammergericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass eine Entpflichtung aufgrund der gesetzlichen Rolle des Verfahrensbeistands als weisungsunabhängiger und nur den Interessen des Kindes (und nicht der Eltern!) verpflichteter Verfahrensbeteiligter nur in Ausnahmenfällen in Betracht kommt:
„Dieser „advokatorische Charakter“ des Anwalts des Kindes macht es erforderlich, den Prüfungsmaßstab für eine Aufhebung der Bestellung äußerst restriktiv und mit größter Zurückhaltung zu handhaben. Demgemäß heißt es in den Gesetzesmaterialien zu der Neuregelung auch, eine Aufhebung der Verfahrensbeistandschaft käme in Betracht, wenn der Verfahrensbeistand nur ganz unzureichend oder sehr unzuverlässig tätig werde oder seine Aufgaben lediglich in einer die Kindesinteressen offenkundig und erheblich verkennenden, missachtenden Weise wahrnehme.“
Darüber hinaus kommt auch eine Ablehnung des Verfahrensbeistands nicht in Betracht. Ein Ablehnungsrecht besteht nur gegenüber Gerichtspersonen (Richter, Sachverständiger). Hierzu zählt der Verfahrensbeistand nicht.
Hegt ein Elternteil den Verdacht, der Verfahrensbeistand sei parteiisch, wird dies für sich genommen nicht ausreichen, um eine Entpflichtung des Verfahrensbeistands zu erreichen. Vielmehr sollte in einem solchen Fall versucht werden, der Position des Elternteils in angemessener Weise Gehör zu verschaffen durch anwaltliche Stellungnahmen und kritischer Auseinandersetzung mit dem Bericht des Verfahrensbeistands.
Der Verfahrensbeistand ist nicht weisungsgebunden und nur den Interessen des Kindes verpflichtet. Nur in Ausnahmefällen wird das Familiengericht daher einem Antrag auf Entpflichtung des Verfahrensbeistands entsprechen. Eine Entpflichtung wird das Gericht vornehmen, wenn die Interessen des Kindes gefährdet sind.
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